Diskussion zum Anschreiben an die Bundesagentur für Arbeit
18.10.09, 20:12:32
zoccoly
geändert von: zoccoly - 18.10.09, 20:13:31
Ich möchte folgende Idee zur Diskussion stellen, bevor wir in diese Richtung aktiv werden.
Hier ein Auszug des Anschreibens an die Bundesagentur für Arbeit
"Auf Grund des äußerst sensiblen Wahrnehmungsvermögens von Autisten sind sie mit vielfältigen Barrieren konfrontiert. Ungewohnte Umgebungen, Lärm, fremde Gerüche usw. können dazu führen, dass es einem Autisten schwer fällt sich zu äußern, da seine Konzentration durch die äußere Umgebung stark eingeschränkt ist, obwohl Autisten oftmals sich durch eine hohe Intelligenz und Leistungsfähigkeit auszeichnen.
Nach unserer Kenntnis ist es so, dass Autisten sich persönlich bei der Arbeitsagentur bzw. beim Jobcenter melden müssen. Dort treffen sie auf Mitarbeiter, die nicht auf die spezifischen Besonderheiten eingehen können, da ihnen das Wissen dazu fehlt.
Autisten sind in einigen Arbeitsbereichen außerordentlich gut in Arbeit zu vermitteln, hier sei explizit der Informatikbereich genannt in dem sich Autisten durch ihre logische Struktur und dem daraus resultierenden hohen Fachwissen auszeichnen.
Leider kommt es oftmals nicht zu Arbeitsaufnahmen, da Autisten im Vorfeld scheitern, da sie im Vermittlungsgespräch bei der Arbeitsagentur bzw. im Jobcenter nicht diese Stärken artikulieren können.
Um Autisten die Barrierefreiheit zu ermöglichen ist es nun auch nicht jedem Mitarbeiter zumutbar für ca. 5-10 Autisten, sich selbst auf jeden Einzelfall abgestimmt, zu beschulen. Eine interne Schulung aller Mitarbeiter ist mit Sicherheit aus Kostengründen auch nicht vertretbar, da Autisten schätzungsweise 0,5- 1,0 % der Bevölkerung ausmachen.
Um beiden Seiten aber gerecht zu werden, wäre Folgendes wünschenswert:
1. Schaffung einer zentralen Stelle, die sich um die Vermittlung von Autisten bemüht und dessen Mitarbeiter dann natürlich geschult sind. (dabei würden wir ihnen gerne helfen)
2. Erarbeitung eines vorformulierten Fragebogens, den Autisten zu Hause ausfüllen können
3. Und um auch den entsprechenden Stellen gerecht zu werden, persönliche Abgabe des Fragebogens bei dem entsprechenden Mitarbeiter
Außerordentlich wichtig ist aber auch, dass das Thema Autismus in der Öffentlichkeit bei Arbeitgebern bekannt wird, damit Fehlinformationen korrigiert werden können und die Gesellschaft sensibilisiert wird, um ein barrierefreies Leben und arbeiten der Autisten zu ermöglichen und sie ihren Beitrag im Berufsleben leisten können.
Es wäre wünschenswert, wenn sie Ihre Position nutzen könnten, um wesentliche Verbesserungen für Autisten in Ihrem Verantwortungsbereich durchzusetzen.
Ziel ist ein Leben der gegenseitigen Akzeptanz und Achtung."
Gedacht ist es regional z.B. Berlin eine Anlaufstelle, da in den Agenturen die Sacharbeiter wie schon erwähnt keine Kenntnisse über den Autismus besitzen.
Ob man als Autist diesen Pool nutzt oder nicht ist jedem selbst überlassen, da er sich erst in der Agentur outen würde. Gesetz den Fall Unternehmen hätten ein großes Interesse daran und der Pool wäre für Autisten lukrativ, dann könnte sich jeder selbstdiagnostizierte Autist die Diagnose holen und wäre mit Antragstellung der Schwerbehinderung jedem Diagnostizierten gleichgestellt.
18.10.09, 21:13:35
frontdoor
Ich weiß nicht warum man sich hier wieder des Klischees vom Informatikspezialisten bedient.Nicht jeder ist so.
Mal ganz ehrlich:Wer hier würde denn einen Autisten einstellen wenn er eine eigene Firma und die damit verbundene Verantwortung und die Risiken hätte?
18.10.09, 21:25:12
feder
Diese zentrale Stelle wäre vermutlich nur für Autisten lukrativ, die in (klischeehaft) autismustypischen (was auch immer das heissen mag) Berufen eine Stellung suchen. In untypischen Bereichen kann ich mir vorstellen, dass eine Diagnose auf Arbeitgeber eher abschreckend wirkt. Das Interesse der Unternehmen würde sich wohl auch eher auf Klischeeautisten beschränken, solange da keine brauchbare Aufklärung stattfindet. Finde solches Aussortieren i.A. ziemlich heikel.
18.10.09, 23:38:17
zoccoly
Das Beispiel mit der Informatikbranche war vielleicht ungünstig und ist austauschbar. Mir geht es aber um die Frage, wie erreicht man bei der Bundesagentur die Chancen für Autisten zu verbessern.
19.10.09, 00:04:21
haggard
geändert von: haggard - 19.10.09, 00:12:17
besitzt dort überhaupt irgendjemand chancen?
mir kommt das gesamte gebilde so vor wie eine datensammelstelle ohne weitere funktion.
dass das personal informiert/geschult werden müsste - gut.
allerdings sind das keine personen aus dem gesundheitswese - und noch nicht einmal bei denen erwarte ich verständnis bzw. ein verstehen dessen, was autismus ist oder ausmacht.
finde es schwierig.
diesen satz würde ich auch streichen:
"...obwohl Autisten oftmals sich durch eine hohe Intelligenz und Leistungsfähigkeit auszeichnen."
es müsste auch möglich sein, etwas zu vermitteln, ohne dass etwas benutzt wird, an das sich dann wieder andere klammern werden. es wäre fatal, wenn dann die leute meinen würden, alle autisten wären quasi hochbegabt und die nur auf probleme warten würden um sie zu lösen oder die absolute technickfreaks wären. oder anders "autisten? ach - rainman..." die arbeitsagenturen arbeiten "sehr gut" mit irgendwelchen ausbeuter/zeitvertreib"firmen" zusammen - ich weiß nicht...
19.10.09, 08:42:12
zoccoly
diesen satz würde ich auch streichen:
"...obwohl Autisten oftmals sich durch eine hohe Intelligenz und Leistungsfähigkeit auszeichnen."
Ich verstehe deine Bedenken, aber wie könnte man es formulieren, damit überhaupt erkannt wird, dass
Menschen mit Autismus [Laut Forenregeln diskriminierender Begriff] nicht zwangsläufig in Behindertenwerkstätten gehören?
Von der Formulierung ist es ja auch abhängig, welche Arbeitsangebote die Agentur meint, in solch einer Stelle dann zu unterbreiten.
19.10.09, 12:26:36
haggard
zunächst einmal wissen sie wahrscheinlich gar nicht, dass sie teilweise auch autistische menschen "beraten"?
über was könnten sie sich in direktsituationen wundern in bezug auf ein autistisches gegenüber?
der direktkontakt könnte generell minimiert werden für sämtliche menschen, die zu diesen stellen pilgern müssen.
was würde geschehen, wenn sich darauf eingelassen würde, dass autistische menschen alles schriftlich erledigen könnten, wenn direktkontakte sie überfordern würden? würde sich das herumsprechen? wären dann plötzlich alle menschen im zweifel autistisch?
du hattest eingangs geschrieben, dass ein mögliches darauf eingehen auf forderungen für autistische menschen ein anreiz für bisherige selbstdiagnostizierte sein könnte, sich eine diagnose zu verschaffen. manche mögen keine diagnose anstreben, aber dennoch andere eventuelle vorteile nutzen wollen? weiß nicht, ob das ein argument für eine diagnose wäre, wenn diese leute sonst vielleicht recht gut in dieser gesellschaft zurechtkommen.
dass ein diagnostizierter autist jedem diagnostizierten gleichgestellt wäre - gut. ich weiß nicht, wohin das führen soll, wenn es scheinbar noch nicht einmal genügend geschultes medizinisches/psychiatrisches fachpersonal gibt und die leute in verschiedenen foren quasi bereits anleitungen erhalten, was sie tun müssen, um eine diagnose 100%ig zu erhalten.
mich interessiert, wie das auf einer karte aussehen würde, dieses ärztehopping. und bei welchem arzt/psychiater die leute zuletzt "kleben" bleiben und eine diagnose erhalten, wenn die anderen vorher bereits auch als versiert bezüglich autismus gelten.
sehe dort tendenzen wie zuvor bei gewissen hausärzten, die nach einem ärztemarathon gefunden wurden und sportbefreiungen schrieben auch wenn die leute gar nichts hatten außer unlust. bis das zu bekannt wurde. nachteile werden immer diejenigen besitzen, die tatsächlich auf diagnosen oder atteste angewiesen sind/wären.
...
19.10.09, 13:45:50
55555
Ich kann mir vorstellen, daß solche Projekte wie Spezialisterne dort durchaus bekannt sind, aber mangels geeigneter Koordinatoren schlichtweg nicht umgesetzt werden. Auch das Projekt der Autistenkooperative im Umfeld der ESH (siehe Unterforum weiter unten) ist, wie anderes auch, bisher nicht ansatzweise in die Praxisphase bekommen, weil die Resonanz so gering ist.
Ansonsten spielt für mich hier eine grundsätzliche Frage hinein, wie wir Erleichterung erreichen wollen. Das Prinzip der Aussortierung wollen die meisten Behindertenverbände heute loswerden, weil es erhebliche Nachteile mit sich bringt hinsichtlich Stigmatisierungen und damit oft verbundene ideologische Bevormundung je nach Stand der Ausbildung von Spezialkräften. Es sollte dann unbedingt sichergestellt werden, daß sich nicht Elternverbände diese Stelle unter den Nagel reißen, weil sie derzeit noch massiv auf ihre Stammtischhoheit bei öffentlichen Einrichtungen bauen könnten. Und wie könnte man das sicherstellen? Wie macht man solchen Entscheidern klar, daß Autisten besser wissen, wie man mit ihnen sinnvoll umgeht und wie man ihnen Bedingungen schafft, die geeignet sind für dieses Vorhaben?
Auch das Problem "Betrug wird oft belohnt" scheint mir grundsätzlicherer Natur zu sein. In diesem Fall ist es teilweise wohl so, daß dann von Unqualifizierten Druck auf die Autisten ausgeübt oder schlimmer hintenrum nach dieser Überzeugung gehandelt würde, ohne, daß sich die betreffende Person gegen etwas wie klare Aussagen wehren könnte, weil andere Diagnostizierte ja mehr "können" würden. Andererseits ist doch recht anerkannt, daß es da unter Autisten große Unterschiede gibt
25.10.09, 20:08:46
[modmod]
Ich habe einen Beitrag, wegen anderem Thema, verschoben.
Neues Thema:
Reha-Antrag.
05.11.09, 17:14:28
55555
Zur Information: Wegen mangelndem Feedback und Kritik wird diese Initiative bis auf Weiteres nicht weiterverfolgt. Ich persönlich finde die Thematik ja durchaus auch heikel, man sollte sowas nicht ohne gründlichere Überlegung anschieben.