11.06.11, 14:47:47
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Zitat:
Schon vor dem Auftritt des bosnisch-serbischen Generals gab es peinliche Fragen, die gar nichts mit dem Angeklagten selbst zu tun hatten. Sie betrafen einen der drei Richter im Mladic-Fall, den deutschen Juristen Christoph Flügge. Er habe in einem "Spiegel"-Interview den Völkermord von Srebrenica geleugnet, der auch Mladic zur Last gelegt wird.
[...]
Was Flügge meinte, ist aber vermutlich etwas anderes: dass der Begriff des Völkermords ("genocide") sehr unter dem Eindruck der Naziverbrechen entstanden ist. Das ist auch heute noch an seinen Eigenschaften abzulesen. So sind nur bestimmte Gruppen von der Völkermordkonvention geschützt (nationale, ethnische, rassische und religiöse), die unter der Naziherrschaft schon bedroht wurden.
Aber selbst ihrem historischen Auftrag wird die Konvention nicht gerecht. Sozialdemokraten und Kommunisten waren unter den ersten Opfern des Hitler-Regimes - doch die Konvention schützt keine politischen Gruppen. Das geht auf ihre unglückliche Entstehungsgeschichte zurück. Als der Text in den späten 40er-Jahren debattiert wurde, wehrte sich die Sowjetunion gegen eine Erwähnung politischer Gruppen.
Es war die Sowjetunion unter Stalin - dem Meister der politischen Säuberungen. Homosexuelle, die mit die schrecklichste Behandlung in den Konzentrationslagern erfuhren, tauchen in der Konvention nicht auf. Menschen mit geistigen und körperlichen Behinderungen sind ebenfalls nicht erwähnt - obwohl Hitlers Euthanasieprogramm bis zu 250.000 Opfer gefordert hat.
Mit anderen Worten: Die Konvention tut, was sie eigentlich verhindern soll. Sie setzt Diskriminierungen fort und gibt ihnen gesetzliche Autorität. In seinem Interview hat sich Flügge ausdrücklich gegen diese Beschränkungen gerichtet - und es ist schwer, ihm darin zu widersprechen.
Quelle
12.06.11, 17:15:34
PvdL
geändert von: PvdL - 12.06.11, 17:16:22
So ist es doch leider oft genug mit solchen Resolutionen; diese werden aus Rücksichtnahme gegen irgendwelche Verbündeten oder Mächtigen so lange entschärft, bis nur noch ein Papiertiger übrig ist von der Art: "Es gibt einige unschönen Dinge in machen Teilen der Welt (die Unterzeichnerstaaten ausgenommen) und wir, die Unterzeichner, sind dafür, daß sich irgendwann mal etwas ändern sollte zu Gunsten einer besseren Welt."
23.04.15, 17:29:07
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Zitat:
Der Wille, die Erde nicht mit einem Volk zu teilen - genau auf dieses Motiv kommt es an, wenn von Völkermord gesprochen wird. Genau das ist der entscheidende Punkt, um den sich jede Genozid-Diskussion dreht. Hatten die Täter wirklich einen derart radikalen Plan im Sinn? Auf Opferzahlen kommt es weniger an; auch die Tötung weniger Hundert oder Tausend Menschen kann schon als Völkermord gelten, während andererseits die Tötung von Millionen - wie etwa bei Maos "Großem Sprung nach vorn" - oft kein völkermörderisches, sondern ein anderes Motiv verfolgt.
[...]
Die Geschichte der Menschheit kennt unzählige Massaker. Nur dann, wenn die Täter den Vorsatz verfolgten, eine Ethnie ganz auszulöschen, das heißt: in die Vielfalt des Menschengeschlechts einzugreifen, hebt das ihre Tat noch einmal aus der ohnehin grausamen Masse heraus. Erst dies ist der ultimative Tabubruch, der mit dem Wort "Völkermord" angeprangert wird. Dieser Begriff wird heute in der Genozid-Konvention der Vereinten Nationen (UN) verwendet, im Statut des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag und in den Strafgesetzbuchen zahlreicher Länder, darunter auch Deutschlands.
Quelle