16.07.11, 11:27:45
wolfskind
Zitat:
Behindertenindustrie
Die gesamte Branche lebt von der Exklusion. Sie ist für Länder und Kommunen ein teurer Luxus - aber politisch so gewollt, ebenso wie der in den 1990er Jahren künstlich geschaffene Wettbewerb der Träger untereinander. Seitdem explodieren die Kosten. Die Ausgaben für die sogenannte Eingliederungshilfe sind von 1998 bis 2009 um rund 60 Prozent auf über 13 Milliarden Euro gestiegen. Je mehr ideologisch über Inklusion geredet wird, desto mehr Menschen werden faktisch ausgegrenzt.
Das rasante Wachstum der Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) hat bislang jede Prognose übertroffen. In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der Plätze dort um mehr als die Hälfte auf knapp 300.000 in die Höhe geschossen. Die Träger expandieren, der Staat zahlt, und für arme Seelen, die in der exklusiven "Wissensgesellschaft" keinen Job finden, ist ein sicherer WfbM-Platz eine zunehmend interessante Alternative zu einem Leben mit Hartz IV.
So wird Ausgrenzung zementiert. Wer in einer WfbM zu arbeiten beginnt, bleibt dort bis zur Rente. Noch nicht einmal 1 Prozent ihrer Klienten können die Werkstätten auf den ersten Arbeitsmarkt vermitteln, obwohl dies ihr Auftrag ist. Der gesetzliche Begriff der Eingliederungshilfe wirkt wie ein Hohn. Es ist vielmehr die Ausgliederungshilfe, für die der Staat sein Geld ausgibt.
Lukrative Unselbständigkeit
Im Wohnbereich sieht es kaum anders aus. Die Zahl der Heimplätze ist steil gestiegen und stagniert nun bei rund 200.000. Fast 90 Prozent der Gelder fließen in stationäre Einrichtungen, während die ambulante Alltagsbegleitung zur billigen Discounthilfe abqualifiziert wird.
Allzu viel pädagogischer Einsatz könnte zu mehr Eigenständigkeit führen. Damit die Heimbewohner aber im Heim wohnen bleiben, wird auf pädagogisches Fachpersonal immer mehr verzichtet. Ein staatlich gefördertes Heer von Freiwilligen übernimmt im großen Maße die Arbeit mit den Menschen. Immer mehr Nichtfachkräfte und Praktikanten drücken die Löhne der Fachkräfte.
Pädagogische Förderung bleibt da auf der Strecke - Inklusion: eine Illusion! Das frustriert die anfangs hochmotivierten Heilerzieher. Ständig wechselnde Belegschaften, unbezahlte Helfer, die permanent eingearbeitet werden müssen, und eine zunehmende Flut unnützer Formulare, die aus bürokratischen Gründen ausgefüllt werden müssen, fördern Resignation und den Rückzug auf Routinearbeiten.
Doch die Nachfrage steigt immer weiter. Vor allem die Gruppe jener Menschen, die als geistig, lern- oder psychisch behindert eingestuft werden, wächst besonders schnell. Je höher die Gesellschaft ihre Anforderungen ans rein abstrakte Denken schraubt, mehr Stress und Leistungsdruck inszeniert, umso mehr Kinder und Erwachsene fallen raus. Wer zappelt, hat ADHS, wer sich nicht anpasst, eine "Störung des Sozialverhaltens". Für jede Abweichung von der Norm findet sich inzwischen eine Schublade im Diagnoseschlüssel der ICD-10. Daran verdienen Ärzte und Pharmaindustrie. Ist der junge "Patient" erst einmal ins Hilfesystem eingeloggt, führt sein Weg nach der Sonderschule immer häufiger direkt in die Werkstatt.
kompletter Artikel