Brauchen autistische Kinder besonders einfühlsame Eltern? Nein, meinen manche Experten: Sie brauchen klare Befehle und hartes Training. Dem kleinen Johan aus Bremen hat eine Therapie aus den USA geholfen, die viele als seelenlose Dressur kritisieren.
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Sprechen, jemanden ansehen, allein auf die Toilette gehen, Gefühle auf einem Gesicht erkennen: Was andere Kinder nebenbei lernen, muss Johan mühsam beigebracht werden. Das geschieht nach einer neuartigen Methode, die fast wie ein Hochleistungstraining aufgebaut ist: 30 Stunden pro Woche sitzt Johan auf seinem Kinderstuhl still, während die Erwachsenen sein Verhalten steuern, als sei er ein willenloses Wesen. Das entspricht dem Konzept der intensiven Verhaltenstherapie. Die Methode aus den USA bricht radikal mit hiesigen Grundsätzen: Hier propagieren die Therapeuten oft, dass die Eltern einfühlsam auf ihre autistischen Kinder eingehen sollen. Die Verhaltenstherapie hingegen setzt auf Strenge und Disziplin. Und sie verlangt den vollen Einsatz der Eltern: als Therapeuten und Trainer ihres Kindes.
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Kinder mit Autismus [Laut Forenregeln diskriminierender Begriff] können nicht von sich aus lernen", erklärt Ragna Cordes, eine schnell sprechende Frau, die ihrem Vater immer einen Satz voraus ist. Ein Grund für die Lernschwäche ist, dass die Nervenzellen im Gehirn auf eine sehr spezielle Art verknüpft sind: Weit voneinander entfernte Bereiche sind schlecht verdrahtet, die Hauptleitungen fehlen, dafür gibt es eine Vielzahl an fein verästelten Nervenbahnen. Informationen müssen sich einen Weg durch ein Labyrinth aus Nebenstraßen suchen, statt die Schnellstraße zu benutzen, so die Theorie. Die Betroffenen nehmen die Welt deshalb oft wie eine Flut unüberschaubarer Einzelheiten wahr, überscharf in Details, doch ein sinnvolles Ganzes erkennen sie nicht.
Kein Wunder, dass sie lieber einen Regenschirm fixieren als die verwirrende Vielfalt eines Gesichts. "Doch ein Kind, das nur die Fasern eines Nylonstoffes betrachtet, sieht nichts von der Welt", sagt die Psychologin.